Stories

Auf eine Fassbrause… mit Friedrich!

Liebe Freunde des Kombinats,  

Coworking und Coworking-Spaces leben von der Perspektivenvielfalt der unterschiedlichsten Coworker. Umso mehr freuen wir uns natürlich, dass bei uns neben Selbstständigen, Gründer/innen und nach Innovation strebende Unternehmen, auch Coworker aus der Wissenschaft unseren Space mit neuen inspirierenden Perspektiven bereichern. Mit einem dieser Coworker haben wir uns diese Woche getroffen und uns einen Einblick in seine Welt verschafft! 

Schön, dass du es geschafft hast. Zum Einstieg einmal die Fragen, wie es dir geht und was du beruflich eigentlich machst?  

Wie es mir geht? Gerade bin ich ganz schön abgekämpft. Und beruflich bin ich Wissenschaftler am Institut für Umweltforschung in Leipzig und beschäftige mich dort mit Wäldern, wie sie bei uns vor der Haustür wachsen. Im Wissenschaftlichen Jargon die temperaten Wälder. Ich beschäftige mich also damit, wie die Wälder mit dem Klimawandel zurechtkommen werden. In diesem Kontext entwickeln wir verschiedene Klimaszenarien. Das funktioniert so, dass ich die Wälder im Computer ab- und nachbilde und schaue, ob und wie diese dann wachsen, wenn sie mit verschiedenen Klimaszenarien gefüttert werden.

Und du bist dort in der Abteilung für ökologische Modellierung?  

Genau, obwohl ich momentan gleichzeitig in zwei Abteilung bin: Der für ökologische Modellierung und noch in der Abteilung für computerbasierte Wassermodellierung. Das liegt daran, dass ich mich immer mehr damit beschäftige, wie sich eigentlich Trockenheit auswirkt. Diese sind halt eine Folge vom Klimawandeln auf den Wasserkreislauf, die dann wieder Rückkopplungen mit der Vegetation aufweisen. Da kommt also alles zusammen.  Ein spannendes aber auch sehr kompliziertes Feld, da immer mehr Variablen mitgedacht werden müssen. Solange man sich in den Bereichen Physik und Mathematik aufhält ist es relativ simpel, da man dort verhältnismäßig leicht Formeln aufstellen kann. In dem Moment in dem Vegetation und Leben eine Rolle spielen, wird das Aufstellen der Formeln unschärfer. Unsere Hoffnung ist, dass das Zusammenpacken all dieser Faktoren dazu führt, dass man letzten Endes mehr versteht. Aber mal schauen, frag mich in vier Jahren nochmal.

Das ist ja alles sehr technisch und abstrakt. Hast du Lust nochmal zu beschreiben, wie bei dir ein normaler Arbeitstag aussieht?  

Ein Arbeitstag besteht seit Corona sehr viel aus Calls mit anderen Leuten. Das liegt einfach daran, dass ich, dadurch bedingt, dass ich so interdisziplinär arbeite, mit vielen Leuten reden muss. Das ermöglicht es mir dann deren Fachexpertise abzugreifen und so zu verstehen, wie man die vielfältigen Perspektiven in das gesamt Konzept einfließen lassen kann. Dadurch ist es also sehr viel koordinierende Arbeit auf der einen Seite. Aber auf der anderen Seite auch das Zusammenbringen und dass Koppeln der Modelle. Technisch koppeln kann man alle mögliche, aber es muss ja den Prozessen in der Welt entsprechen. Und dafür brauch es sehr viel Abstimmung, Koordination und wissenschaftliche Diskussion. Und dann gibt es auch den normalen wissenschaftlichen Alltag- das ist dann auch nochmal viel Reden und telefonieren. Tatsächlich wenig dasitzen, nachdenken und rechnen. Die angesprochene Perspektivenvielfalt hat für mich den großen Vorteil, dass sie gehirnfütternd ist. Jedoch auch den Nachteil, dass man erst eine gemeinsame Sprache finden muss. So spricht ein Hydrologe einfach anders über Vegetationen als jemand der aus der Ökologie kommt.  

Ich hätte jetzt noch eine Frage zur Thematik, aber nicht zum Beruf. Und zwar habe ich gesehen, dass du dich für Scientist for Future engagierst. Wie bist du denn dazu gekommen und was beinhaltet das Engagement?  

In dem Moment in dem man etwas mit dem Erdsystem studierst, ist man quasi schon Scientist for Future. Das Thema ist nicht gestern entstanden! Aber insbesondere, dass 2019 Fridays for Future auf die Straßen ging, war für uns einfach extrem motivierend […]. In diesem Kontext war für uns natürlich von Anfang an klar, dass wir jedem Menschen, der sich mit dieser Thematik beschäftigt und dafür auf die Straße geht, unterstützen wollen. Nun kurz zu mir: Am Anfang war ich nur einer der Unterzeichner des ersten Appels […]. Dann habe ich mit dem Co-Gründer von Scientist for Future einen Workshop besucht. Da entstand dann nachts in der Berliner Ringbahn- einer der kreativsten Orte der Welt- die Idee diese ganze Debatte zu verschieben: Nämlich dahin, dass wir uns konkret überlegen müssen, welche Sachen wirklich Sinn machen und welche von diesen Sahen umgesetzt werden können. Wichtig ist, dass es in diesem Kontext immer mehrere Möglichkeiten gibt und die Wissenschaft eben nur aufzeigen kann, welche Möglichkeiten vorliegen und welche Auswirkungen diese haben. Das Problem ist, dass in der öffentlichen Debatte häufig über Sachen diskutiert wird, die eben nicht wirkmächtig sind. Also solche Sachen, die nichts kaputt, aber auch nichts besser machen. Deswegen ist bei uns die Frage aufgekommen, was denn aus Sicht der Wissenschaft die wichtigsten Hebel sind, über die wir demokratisch entscheiden müssen wie wir sie und wieweit wir sie umlegen […].  Mit dem Projekt, dass wir jetzt machen ist es genau der Versuch zu zeigen, was passiert, wenn wir welche Hebel umlegen und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind. Dazu haben wir drei positive Szenarien und ein negatives Szenario entwickelt […]. Die Geschichte, darauf wollte ich eigentlich hinaus, von dem negativen Szenario bezieht sich also darauf, was passiert denn, wenn wir mit unserem aktuellen Aktionstempo unterwegs sind. Das Szenario zeigt dementsprechend wie groß die Schritte sein müssten! Jetzt bin ich ins Schwatzen gekommen. Vielleicht noch einen letzten Punkt, um das ganze abzurunden. Und Zwar versuchen wir auch noch mit Creativ for Future , und weiteren For-Future-Gruppen zusammen zu arbeiten.  So ist auch bei den Zukunftsbildern die Idee: lass das doch Kreative visualisieren, nicht die Wissenschaftler mit Powerpoints!  Anmerken muss ich vielleicht auch noch, dass das ganze Ehrenamtlich läuft. Dementsprechend läuft es nicht so schnell, wie es eigentlich laufen müsste […]. Die Hoffnung liegt momentan darin, dass wir es jetzt dezentral aufbauen und jedem eine Anbindung an dieses gesamt Kunstwerk ermöglichen, ohne alles erklären zu müssen. 

Also ist einer der Ansätze die Wissenschaft etwas verständlicher zu machen?  

Ja, wir wollen jetzt versuchen die Marketingabteilungen verschiedener größerer Firmen kennenzulernen und die Möglichkeiten der gegenseitigen Inspiration zu nutzen. Wir denken, dass das Format der Zukunftsbilder mit kurzen und prägnanten Texten mit dem Fokus auf die wichtigen Hebel, viel anschlussfähiger für viele Leute ist, als die klassischen IPCC Berichte. Auch wenn es dort wirklich gute Zusammenfassung gibt, sind die Aufbereitung und die Sprache sehr präzise. So fühlt es sich an, als würde man einen juristischen Text lesen. Das schreckt die meisten Menschen einfach ab.  

Das war ja ein super spannender Einblick. Um jetzt nochmal auf ein anders Thema einzugehen, hätte ich die Frage, da du ja immer wieder von Vielfalt gesprochen hast, ob das auch einer der Gründe für dich war das Coworking anzufangen?  

Ehrlich gesagt ist es ein bisschen anders. Es ist wirklich sehr pragmatisch gedacht. Es war unter den Covid-Bedingungen zu eng zuhause, sodass ich einen Ausweichplatz brauchte. Das war so der Hauptgrund hier zu klingeln. Damit Arbeit und Zuhause einfach klar getrennt sind. Nichtsdestotrotz, finde ich, auch wenn es coronabedingt natürlich noch nicht ganz möglich gewesen ist, den Austausch untereinander wirklich förderlich. So habe ich schon mehrere Gespräche geführt, die wirklich schön und inspirierend gewesen sind. Darüber hinaus habe ich das Gefühl, dass das Potential noch mehr spannende Gespräche zu führen sehr hoch ist. In Bezug auf die Vielfalt glaube ich, dass es eine grundsätzliche Sache ist. Sowohl beim Projekt Zukunftsbilder, als auch in meinem beruflichen Kontext geht es immer darum unterschiedliche Leute zusammenbringen. Und was hier im Kombinat passiert, ist genau das! Ich glaube, dass da sehr viele Synergien möglich sind und es total cool und bereichernd ist. Auch unter dem Aspekt, dass man sich hier auf Augenhöhe begegnet und sich einfach mal untereinander austauscht! Deswegen würde ich mir wünschen, dass die zukünftige Arbeitswelt viel näher an dem hier ist! Obwohl ich auch sagen muss, dass ich beiden Welten brauche. Auf der einen Seite werde ich zum Beispiel auch immer wieder in meine Hydrologen bzw. Ökologen Bubble in Leipzig zurückkehren. Auf der anderen Seite finde ich es extrem wichtig, speziell für die Wissenschaft, auch mal rauszukommen. Man muss in diesem Kontext aber leider gestehen, dass es leider der kleinere Teil der Wissenschaftler so sieht.  Ich will jetzt aber auch nicht Wissenschaft über einen Kamm scheren. Aber es ist schon ein System, was die Menschen an das System bindet, da wenig bzw. nur das honoriert wird, was quantifizierbar ist. Also was hast du publiziert, was hast du eingeworben etc. Da würde ich mir Veränderungen wünschen. Aber auch solche Möglichkeiten zu haben auch außerhalb des Institutes arbeiten zu können, fände ich sehr erstrebenswert. Ein Mix aus Institutsarbeit und Arbeit von anderen Orten, wie einem Coworking-Space, wären cool für alle Beteiligten.  

Da stimme ich voll und ganz zu. Aus der Box rauszukommen bringt auch für Wissenschaft viel, insbesondere auch mal solche Perspektiven einzunehmen, die außerhalb der rein wissenschaftlichen Realm liegen.  

Ja, Wissenschaft ist gut und schön, aber das Verkaufen der Wissenschaft funktioniert nur so semi-gut. Wie viel Menschen geben Geld für wissenschaftliche Publikationen aus? Wäre ein so ein Indikator. In diesem Kontext finde ich es total spannend Arbeitsräume zu haben, in denen sich das ganze viel mehr mischt. Ob für Kooperationen oder für ein harmonisch gesellschaftliches Miteinander, man muss aus seiner Box rauskommen!   

Danke für diesen tollen Einblick und das inspirierende Gespräch!  

P.S. Hast du den Artikel gelesen, bist selbst ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin und hast das Gefühl du musst mehr aus deiner Box rauskommen? Dann komm doch mal bei uns im Kombinat01 vorbei und verschaffe dir selbst einen Einblick in die vielfältigen Perspektiven und Möglichkeiten!