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Alt ist wie jung. Nur anders.

Liebe Freunde des Kombinats,

in der vergangenen Woche waren wir zu einem 95. Geburtstag eingeladen und uns ist aufgefallen, dass sich ein 95. von einem 15. Geburtstag absolut gar nicht unterscheidet. Man lädt all seine Homies ein und stellt was Hochprozentiges auf den Tisch. Danach wird gemeinsam am Limit gechillt… mehr ist es eigentlich nicht.

Denkt man.

Denn wenn man zu seinem 15. Geburtstag von seinen Träumen, Wünschen und Perspektiven für die Zukunft spricht, geht der Blick an einem Fünfundneunzigsten eher in die Vergangenheit. Der Maler Otto Götz hat eine Woche vor seinem 100. Geburtstag die Frage gestellt bekommen, wie er sich denn das Leben nach dem Tod vorstellt. „Leben nach dem Tod? Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Könnte ich mal machen oder?“ (Was eine geile Sicht auf die Dimension Zeit.)

Das Leben unserer Alterspräsidentin im Gebäude 56 könnte man wohl als das volle Programm in einer nagelneuen Waschmaschine bezeichnen. Was es bedeutet, ein Kind im Krieg zu sein kann Hildi uns beantworten, wenn sie will. Und wie man ordentlich rumknutscht, dass es keiner mitkriegt, weiß sie auch. (Hat sie nicht gesagt, sieht man ihr aber an der Nasenspitze an.)

Die Lebenswirklichkeiten einer 15 Jahre alten Lisa und einer 95 Jahre alten Hildi sind auf eine ganz besondere Art und Weise dasselbe. Denn am Ende reduziert sich alles darauf, dass Lisa NOCH NICHT kann und Hildi NICHT MEHR kann, wie sie will. Beide sind auf Hilfe angewiesen. Und wenn man heute über die Pflege von alten Leuten spricht, klingt es sehr oft, als säßen da kranke Menschen. Jeder, der sich schon mal seinen Daumen gebrochen hat weiß, wie kompliziert es sein kann, Klopapier an die Stelle zu führen an die es auch hingehört. Die sind nicht krank. Auf jeden Fall nicht mehr, als die Smartphone Ladys vom Holzmarkt.

Hildegard hat uns zum Lachen gebracht und wir haben uns revanchiert. Zumindest so gut wir es können. Und wir wollen uns über die Gastfreundschaft und den Cognac bedanken, der uns auf eine lustige Art klargemacht hat, was Erdrotation in der Endkonsequenz bedeutet.

Alt ist wie jung. Nur anders. Und wenn irgendein Strategiepapier uns voneinander trennen möchte, indem man im Wechsel der einen Gruppe die Schuld an den Sorgen der anderen gibt, dann können sie das gern machen. Wir scheißen drauf und lassen uns beim Klopapier helfen.

Wir wünschen allen Freunden ein schönes Wochenende und drücken jedem die Daumen, dass er auch mal seinen 95. Geburtstag feiern kann und es kein Dinner for One wird. Also, alles Gute. Für immer. Euer Kombinat.